Als ich am sechsten März diesen Jahres bei Walkaboutyou Hannes Leo, einen Coach-Kollegen kennenlernte und im Nachklang von Meditation und Journaling mit ihm zusammen reflektierte, kamen wir auch auf meine Mutter und ihre Krankheit zu sprechen. Hannes Leo brachte dabei den Begriff “Kernthemen” ins Spiel,
den ich zunächst, gerade in diesem Zusammenhang, nicht so recht einordnen konnte. Seitdem begleitet mich dieser Begriff und ich widme ihm diesen Text.
Obwohl ich geglaubt habe, halbwegs zu verstehen, was Hannes Leo mit Kernthemen meinte, habe ich ihn doch vor kurzem nachgeschlagen.
besonders wichtiges oder wichtigstes, zentrales Thema
Je weiter wir uns der sehr allgemeinen Bedeutung des Dudens entfernen und je näher wir den Synonymen, wie z.B. Diskussionsgegenstand kommen, desto mehr weiß ich, dass Hannes Leo sich auf die sehr allgemeine Bedeutung und den großen und bedeutsamen Kontext des Leben bezog.
Zwei Kernthemen wurden eingehend schon erwähnt: Mutter und Krankheit. Es geht also um die wirklich elementaren Dinge im Leben, wie z.B.: Familie, Kinder, Partnerschaft, Liebe, Gesundheit, Tod und um die Dinge für die du eine Leidenschaft entfaltest.
Ein schönes und hierzu passendes Gleichnis ist The Jar of Life (Quelle unbekannt). Hier ist der Protagonist ein Professor, der in seiner Philosophieklasse fast wortlos ein großes leeres Mayonnaiseglas auf das Pult stellt und vor seiner Klasse befüllt. Zuerst mit Golfbällen, dann mit Steinchen, anschließend mit Sand. Dazwischen fragt er, nach jeder der unterschiedlichen Füllungen: “Ist dieses Glas voll?” und die Klasse antwortet darauf jedes Mal mit einem einheitlichem “Ja!”.
Zuletzt öffnet er eine Flasche Bier und gießt dieses in das Mayonnaiseglas, gefolgt von der Frage “Ist das Glas jetzt voll?”. Dann löst er die Metapher auf: Das Glas repräsentiert das Leben, die Golfbälle stehen für die bereits angesprochenen Kernthemen, die Steinchen symbolisieren die anderen wichtigen Themen wie Job, Haus oder Auto und der Sand steht für alles Andere. Sand eben.
Der Philosophieprofessor erklärt, dass man auf die Dinge achten sollte, die elementar für unser/e Glück/Glücklichsein/Wohlbefinden/Fröhlichkeit/Balance sind, statt unbedacht zu viel Zeit auf den Sand zu verwenden. Oder gemäß dem Motto First things First, wenn zuerst Sand oder Steinchen im Glas sind, dann passen die Golfbälle nicht mehr rein. Es kommt aus der Klasse noch die Frage, was denn das Bier darstellen soll. “Egal, wie voll dein Leben scheinbar ist, es sollte immer Platz für ein paar Bierchen mit deinen Freunden sein”. Ok, es geht also um die “Golfbälle”.
Schon wenn Golfbälle mit Steinen oder Sand konkurrieren, kann es schon zu einer Ambivalenz kommen.
Wenn dein Lebensmodell auf einmal ins Wanken gerät, dann merkst du schonmal, dass du es mit Kernthemen zu tun hast. Wenn dann aber Golfbälle mit Golfbällen konkurrieren, dann wird die Zerrissenheit oft schon deutlicher spürbar.
Das Setzen von Prioritäten und die Aufteilung von Zeit und Raum können dann zur Herausforderung werden.
Ein schönes Werkzeug, dass in diesem Spannungsfeld etwas Klarheit geben kann und sowohl im Coaching als auch im therapeutischen Umfeld Anwendung findet, ist die Visualisierung deiner Themen als Kreise in einem großen umgebenen Kreis.
Starte mit der Frage “Was ist gerade wichtig?” und fange an, deine aktuellen Bedürfnisse als Kreise in den umgebenen Kreis zu malen. Versuche die Bedürfnisse entsprechend ihrer Intensität unterschiedlich groß in Relation zueinander zu zeichnen. Gib gerne jeden Bedürfnis einen Namen.
Wie sieht das erste Bild aus? Sind alle Bedürfnisse da?
Wenn ja, passen die Ausprägungen bzw. die Intensität der Bedürfnisse?
Ist Tendenz eher größer, so zeichne jetzt einen entsprechend größeren Kreis um das Bedürfnis herum. Um die Tendenz darzustellen, zeichne einen Pfeil, der von dem ursprünglichen Rand auf den jetzt größeren Rand des jeweiligen Kreises mit seiner Spitze zeigt. Ist die Tendenz eher kleiner, ziehe einen Innenkreis ein und zeichne den Pfeil entsprechend in die andere Richtung.
Von hier aus hast du einen guten Punkt erreicht, um dich zu fragen, wie du dorthin kommst.
Nach Mamas Diagnose Leukämie letzten Herbst und der damit verbundenen Angst um ihr Leben erwuchs daraus bei mir zuerst das Thema Miteinander Zeit verbringen, damals noch mit einer spürbaren Ambivalenz und vielen Spannungen. Es wurde dann zu Miteinander Zeit mehr verbringen und wir arbeiteten teilweise gemeinsam an diesen Spannungen. Als das Thema Sterben ihr Kernthema wurde und sich ihr gesundheitlicher Zustand sichtbar und sehr schnell verschlechterte, stellte das starke Bedürfnis Abschied nehmen die alten Geschichten und Spannungen in den Schatten.
Das Abschied nehmen überragte daraufhin bei mir auch fast alles andere.
Ich bin froh über jeden gemeinsamen Augenblick,
den ich mehr mit dir haben konnte,
denn die Zeit kommt nicht wieder
und du auch nicht.
Tschüss Mama. Ich bin zutiefst dankbar für mein Leben und die fast 43 gemeinsame Jahre mit dir.
Mögest du frei von Leid und an einem besseren Ort sein.
Mögest du mit Volker, der uns auch viel zu früh verlassen hat, wieder vereint und glücklich sein.
In Gedenken an Gesche Kiel , ∗ 23. Juli 1948, ✝ 08. Mai 2021, ehemals Latzel, geborene Schwitzner, «Gracias a la Vida». Mein zuletzt größtes Kernthema Abschied nehmen geht jetzt vorüber, tiefe Trauer nimmt seinen Platz ein und der Rest ordnet sich jetzt wieder neu.